Ratgeber Hausgemeinschaften

[Diesen Ratgeber gibt es auch gedruckt und farbig gestaltet. Wer ihn zum Auslegen im Haus zugesendet haben möchte, meldet sich. Hier auch zum Download und Selbstausdrucken.]

»Unser Haus soll verkauft werden!« So spricht es sich plötzlich herum, etwa weil Kaufinteressierte durchs Treppenhaus gehen oder weil eine Anzeige auf Immobilienportalen steht. Dabei kommt die Frage auf: »Könnten wir das Haus nicht auch selbst übernehmen?« Vielleicht steht auch gar nicht direkt ein Verkauf des Hauses bevor, sondern die Eigentümerin, mit der es ein gutes Auskommen gibt, kommt in ein Alter, das die Frage aufwirft: »Wie geht es mit dem Haus weiter?« Es lohnt sich, diese Frage frühzeitig gemeinsam zu stellen.

1. Miteinander reden

Zunächst kostet es etwas Überwindung, bei den Nachbar_innen zu klingeln. Doch um zu klären, wer mitmachen will, ist das gemeinsame Gespräch unentbehrlich. Der nächste Schritt kann ein Haustreffen sein, bei dem es neben dem Kennenlernen darum geht: Wer weiß was? Wer hat welche Interessen? Wer kann und will sich wie einbringen? Klar ist: Nicht alle sind gleichermaßen engagiert. Das ist normal. Schließlich stehen bei allen mal Familie, Arbeit oder Uni im Vordergrund. So unterschiedlich die Perspektiven sind: Es gibt erprobte Modelle, wie alle gemeinsam wohnen bleiben können, auch wenn unterschiedlich viel Geld und Zeit vorhanden sind.

2. Situation klären

Wem gehört das Haus? Das ist oft gar nicht so leicht zu beantworten: Mieter_innen haben oft nur mit der Hausverwaltung zu tun, die das Haus im Auftrag der Eigentümerin betreut. Wem das Haus seit wann gehört steht im Grundbuch, einem beschränkt öffentlichen Register der Gemeinde. Wer eine Wohnung mietet hat das Recht, unter Vorlage des Mietvertrags hier Einsicht zu nehmen. Dabei treten manchmal Überraschungen zutage. An die Recherche schließen sich weitere Fragen an: Ist es eine Einzeleigentümerin, die das Haus nach der Wende rückübertragen bekommen hat und im Alter etwas kürzer treten möchte, aber mit ihrem Haus verbunden bleiben will? Ist es eine Erbengemeinschaft? Ein Kapitalanleger, der evtl. nach dem Auslaufen der Spekulationssteuerfrist von zehn Jahren das Haus mit Gewinn wieder verkaufen möchte? Eigentümer_innen haben sehr unterschiedliche Interessen und Geschäftsmodelle. Diese zu verstehen hilft dabei, Strategien zu entwickeln.

3. Beratung suchen

Wenn ein Verkauf des Hauses unmittelbar bevorsteht, ist es empfehlenswert, den eigenen Mietvertrag von fachkundiger Seite prüfen zu lassen. Wurden der Mietvertrag und alle zusätzlichen Vereinbarungen schriftlich festgehalten und von beiden Seiten unterschrieben? Gibt es Mietschulden? Bei Wohngemeinschaften: Stehen alle, die in der Wohnung wohnen, auch im Mietvertrag? Für den Fall, dass ein renditeorientierter Investor das Haus kauft, ist es hilfreich, sich gerade bei preisgünstigen Mietverträgen gut abzusichern. Grundsätzlich gilt: Je sicherer die Mietverträge, desto besser die Verhandlungsbasis. Auch wenn ein gemeinsamer Kauf nicht gelingt, sind sichere Mietverträge ein gutes Ergebnis. Beratung gibt es bei Rechtsanwält_innen oder dem
lokalen Mieterverein im Deutschen Mieterbund (DMB).

4. Auf geht‘s! In Verhandlung treten

Wenn die rechtlichen Verhältnisse und die eigenen Ziele geklärt sind, kann das Gespräch gesucht werden. Gerade Einzeleigentümer_innen haben oft eine persönliche Beziehung zu ihrem Haus. Doch das Verhältnis hat vielleicht in der Vergangenheit gelitten. Eine Einladung zum gemeinsamen Treffen bei Kaffee und Kuchen wirkt manchmal Wunder. Ein Smalltalk zwischen Tür und Angel ersetzt kein
richtiges Gespräch! Hierbei gilt es, die Ziele klar zu benennen, etwa: »Wir möchten gemeinsam mit Ihnen über die Zukunft des Hauses sprechen. Wir wollen alle langfristig wohnen bleiben und mehr Verantwortung übernehmen. Deshalb möchten wir Ihnen folgendes vorschlagen: …«. Es kann hilfreich sein, bei einem solchen Gespräch Externe zur Vermittlung einzubinden. Das kann etwa ein Architekt, eine Anwältin oder das Team von Kooperative Wohnformen Chemnitz sein.

5. Modelle

Vielleicht führt so ein Gespräch zu mehr, etwa zur Frage, wie ein einvernehmlicher Eigentumsübergang aussehen kann. Falls ein Kauf ins Gespräch kommt: nicht immer muss das Haus auf einmal bezahlt werden. Bei einer Ratenzahlung wird der Kaufpreis über einen längeren Zeitraum gezahlt, bei einer Leibrente ein lebenslanges Einkommen garantiert. Falls sich ein Eigentümer nicht vom Haus trennen will: Ein Erbbaurecht gibt das Gebäude in die Verantwortung der Hausgemeinschaft, der Erbbauzins fließt, ohne dass der Eigentümer sich weiterhin um die notwendigen Bauarbeiten und die Verwaltung kümmern muss.

6. Rechtsformen und Geld

Es gibt verschiedene Rechtsformen:

In der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) wird das Haus aufgeteilt und die Wohnungen gehören Einzelnen. Ein Vorteil ist die teils günstige Eigentumsförderung durch den Staat. Ein Nachteil ist, dass sich das oft nicht alle leisten können und die Hausgemeinschaft dann in zwei Parteien zerfällt: diejenigen mit Eigentum und diejenigen mit Mietvertrag.

Der Kauf als Hausgemeinschaft bietet langfristige Sicherheit für alle: Hier kommen Verein, Genossenschaft oder GmbH (etwa im Verbund des ‹Mietshäuser Syndikats›) in Frage. Hier bleiben alle Mieter_innen, aber im eigenen Haus. Zusätzlich sind alle Mitglied der Rechtsform, der das Haus gehört. Die Finanzierung wird gemeinsam gestemmt und kann so auch auf ungleiche Vermögen Rücksicht nehmen. In manchen Fällen kann auch hier (etwa bei Genossenschaften) staatliche Eigentumsförderung genutzt werden.

Denkbar ist die Kooperation mit Dritten, etwa einer bereits bestehenden Wohnungsgenossenschaft oder Stiftung, die das Haus in Abstimmung mit der Hausgemeinschaft erwirbt und als ‹gute Investorin› agiert.

Vielleicht soll das Haus auch gar nicht verkauft werden. Auch dann gibt es die Möglichkeit von Eigentümer-Mieter-Kooperationen: z.B. dass die Mieter_innen die Hofgestaltung übernehmen oder jemand im Haus den Hausmeisterposten übernimmt.

Das Team von Kooperative Wohnformen Chemnitz berät Interessierte kostenfrei und begleitet bei der Suche nach der passenden Organisationsform.

Und wenn alles scheitert? Müssen wir ausziehen, wenn unser Haus verkauft wird?

Nein! Kauf bricht nicht Miete. Wo sichere Mietverträge existieren und die Miete pünktlich gezahlt wird, kann auch ein neuer Käufer nicht „einfach so“ Mietverträge kündigen. Ein wichtiger Schutz vor überzogenen Modernisierungsplänen ist eine Hausgemeinschaft, die zusammenhält. Und nebenbei ist gegenseitige Unterstützung im Alltag auch schon ein großer Schritt nach vorn.